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„87% der Kleidung landet auf dem Müll”

Die Gründerin Alina Bassi hat ein zum Patent angemeldetes Verfahren entwickelt, um aus alten Klamotten nachhaltigen Kunststoff herzustellen. Uns hat sie erzählt, was sie nach Berlin gebracht hat, warum die Welt ein Kleidermüllproblem hat und wie sie es jetzt lösen will.
7 Minuten
Von
Eileen Splitt
,
veröffentlicht am
25.1.2021
.
Fotos:
Jonas Holthaus

Alina Bassi ist eine Vordenkerin in Sachen Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Konsumbewusstsein. Mit 14 dreht sie für die Schule einen Film über den Klimawandel. Mit 23 beendet sie ihren Master in Chemieingenieurwesen und berechnet in ihrer Abschlussarbeit CO2-Fußabdrücke. Mittlerweile ist sie 30 und Gründerin des Start-ups Kleiderly. Sie entwickelte ein Verfahren, dass aus Textilabfällen nachhaltiges Plastik für beispielsweise Kleiderbügel oder Sicherheitstags in der Modebranche herstellt und mittlerweile sogar Möbel. Dafür wurde sie vom „Forbes"-Magazin in die 30 under 30” Liste der einflussreichsten Gründer in der Tech-Branche gewählt und auch Google nahm sie in das Female Founders Mentoring Programm für Start-ups auf. Alina trifft den Puls der Zeit: Nachhaltigkeit und bewusster Modekonsum statt Fast Fashion. Wir treffen die inspirierende Gründerin und sprechen mit ihr darüber, warum Kleidung genauso schlimm für die Umwelt ist wie Plastik und warum ein Umdenken in unserer Gesellschaft in Bezug auf Shopping stattfinden muss.

COVERED: Liebe Alina, es ist schön, dich kennenzulernen. Wie hat es eine Britin wie dich nach Berlin verschlagen? 

Alina: Ich habe meinen Ehemann in London kennen gelernt. Er kommt aus Deutschland, deswegen sind wir vor zwei Jahren nach Berlin gezogen. Die Stadt hat mich sehr gereizt und ich wollte hier gerne meine Firma gründen, da die Start-up Szene so groß ist. Mittlerweile bin ich gut angekommen und habe mir ein tolles Netzwerk aufgebaut.

Diese Kleiderbügel sind aus Textilabfällen hergestellt

COVERED: Erzähl uns doch kurz von deinem bisherigen Lebensweg, welche Stationen in deinem Leben haben dich geprägt und inspiriert?

Alina: Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen waren sehr früh meine Leidenschaft. Ich habe schon mit 14 für die Schule einen Film über den Klimawandel produziert. Nach Abschluss meines Studiums habe ich dann unter anderem bei bio-bean gearbeitet. Die Idee der Gründer war, aus altem Kaffeesatz, also Kaffeeabfall, Bio-Kraftstoffe herzustellen. Als ich dort anfing, habe ich mit ihnen gemeinsam das Verfahren dafür entwickelt, die Fabriken aufgebaut und die Prozesse organisiert. LKW-Ladungen voller Kaffeereste mussten transportiert und weiterverarbeitet werden. Wenn ich nach einem langen Arbeitstag nach Hause kam, war ich von Kopf bis Fuß voller Kaffee. Damals habe ich sehr viel über das Thema Abfallwirtschaft und Recycling gelernt, auch, was diese besondere Art von Müll anging. Kurz darauf bin ich nach Tansania gereist und hatte dort ein Schlüsselerlebnis, was mich zur Gründung von Kleiderly inspiriert hat.  

“Afrika darf nicht die
Müllhalde Europas sein”

COVERED: Welches Schlüsselerlebnis war das? 

Alina: Meine Eltern kommen ursprünglich aus Indien, sind aber in Tansania aufgewachsen. 2018 bin ich dorthin gereist, um meine Familie zu besuchen. Da habe ich das erste Mal die riesigen Müllberge voller weggeworfener Textilien gesehen. Die Kleidung, die wir in Deutschland in die Altkleidercontainer geben, wird selten, wie viele denken, gespendet. Ein Großteil dieser Kleidung wird verkauft und landet bei Händlern auf afrikanischen Second-Hand-Märkten. Oft ist diese Kleidung aber schon in einem sehr schlechten Zustand. 87% der weltweit produzierten Kleidung landen auf der Mülldeponie oder in Verbrennungsanlagen. Die allermeisten Textilien sind biologisch nicht abbaubar. Entweder sind es künstliche Stoffe aus Öl, wie z. B. Polyester oder Viskose, oder sie sind aus Baumwolle, die oft voller giftiger Pestizide sind. Besonders Polyester-Textilien stellen ein großes Problem dar, da sie wie Plastik 200 Jahre lang nicht abgebaut werden. Die Kleidung wird letztendlich verbrannt, wobei sehr viel CO2 ausgestoßen wird und in die Atmosphäre gelangt. Hinzu kommt, dass die verrottete Kleidung irgendwann braun und flüssig wird, ins Grundwasser sickert und dieses verschmutzt. Das darf einfach nicht sein! Afrika darf nicht die Müllhalde Europas sein! Die gespendete Kleidung zerstört zudem die komplette Textilindustrie und verhindert Hilfe zur Selbsthilfe. Diese Textilabfälle sind ein ernstzunehmendes und großes Problem vor Ort. Allein Deutschland produziert jedes Jahr 391.752 Tonnen Textilmüll, ganz Europa mehr als 2 Millionen Tonnen - eine unvorstellbar riesige Menge. Das hat mich nicht mehr losgelassen. Seitdem beschäftige ich mich täglich damit, wie man Textilien recyceln kann, um das Problem zu lösen. 

Textilmülldeponien wie diese gibt es vor allem in armen Ländern wie z. B. in Bangladesch © iStock bdspn


“Man muss nicht ständig neue Outfits haben und jeden Trend mitnehmen” 

COVERED: Wie erklärst du dir diese Massen an Textilien? Warum tragen wir Fast Fashion und wieso spricht man nicht viel mehr über dieses Problem?

Alina: Man muss nicht ständig neue Outfits haben und jeden Trend mitnehmen. Klar, Instagram, die Medien und Influencer suggerieren uns, dass es cool ist, immer neue Styles zu tragen. Aber das brauchen wir gar nicht. Influencer werden dafür bezahlt, sich jeden Tag in einem neuen Outfit zu präsentieren, aber nötig ist das nicht. Nur, weil sie uns zum Konsum anregen, müssen wir das nicht tun. Darüber, was unser Klamottenkauf für negative Effekte auf die Umwelt hat, sieht und hört man wenig bis nichts, gerade bei Fashion-Influencern. Deswegen ist es auch schwer, das eigene Konsumverhalten dahingehend zu verändern, wenn es anders vorgelebt wird und man ständig und überall zum Kaufen motiviert wird. Hier muss dringend ein Umdenken stattfinden. Weniger ist mehr sollte das Motto sein und es bringt schon viel, wenn man das eigene Shopping-Verhalten dahingehend verändert. 

Auch diese Sicherheitstags sind aus Kleidungabfällen recycelt

“Vor allem müssen wir uns das
Problem des zu hohen Kleidermülls bewusst machen"

COVERED: Was kann ich als Konsument konkret tun, um Textilabfall zu vermeiden? Was sollte ich mit meiner alten Kleidung beispielsweise machen?

Alina: Da gibt es viele Möglichkeiten. Zum einen sollte man sein Kaufverhalten ändern und lieber wenige, ausgewählte Teile kaufen. Auf Impuls-Shopping sollte man verzichten. Außerdem sollte man idealerweise schon beim Kauf auf das Material achten und Bio-Baumwolle bevorzugen, da diese am schnellsten und einfachsten abbaubar ist. Wenn aber doch alte Klamotten übrig sind, die man nicht verkaufen kann, am besten bei Obdachlosenhilfen oder Kleidersammlungen erkundigen, was derzeit konkret benötigt wird und dann ausgewählte Kleidung dorthin bringen. Tatsächlich können Hilfsorganisationen mit 80% der Kleidung nichts anfangen, da sie ungenügende Qualität hat bzw. für die Bedürftigen ungeeignet ist. Die meisten Obdachlosen sind Männer, wobei die Mehrzahl der Spenden  aus Damenkleidung besteht. Daher unbedingt darauf achten, dass die gespendete Kleidung  in gutem Zustand ist und tatsächlich auch benötigt wird. Und vor dem Wegschmeißen der Kleidung nochmal überlegen, ob man das Loch nicht vielleicht doch stopfen oder daraus etwas nähen kann bzw. es anderweitig, z. B. als Putzlappen, wieder verwerten kann. Vor allem müssen wir uns das Problem des zu hohen Kleidungsmülls bewusst machen, um ein Umdenken zu erreichen. 


COVERED: An welche Stelle kommst du ins Spiel? Wie kam es zur Gründung von Kleiderly?

Alina: Mein Erlebnis in Tansania hat mich final dazu motiviert, gründen zu wollen. Ich wollte Textilmüll in etwas Brauchbares umwandeln. Da das Problem vor allem in der Modeindustrie eine große Rolle spielt, wollte ich etwas für diese Industrie herstellen. Also habe ich überlegt: Was brauchen sie? Kleiderbügel und Sicherheitstags für den Verkauf! Das habe ich dann versucht. Ich habe probiert, probiert und nochmals probiert, bis ich das jetzige Verfahren entwickelt und patentiert hatte. Nach ein paar Jahren nun habe ich es geschafft, aus Textilabfällen nachhaltigen Kunststoff herzustellen. Daraus kann man nahezu alles machen. Ich teste stetig weiter, um den Prozess und die Produkte zu optimieren. 

Mut und Leidenschaft zeichnen die Powerfrau und Gründerin aus

“Es ist eine größere
Herausforderung als Frau zu gründen”

COVERED: Wo stehst du aktuell und was kannst du aus Frauenperspektive über das Thema Gründen sagen? Was waren deine Learnings in den vergangen zwei Jahren?

Alina: Als ich Anfang 2019 nach Berlin gezogen bin, war das für mich die ideale Stadt und der perfekte Moment zu gründen. Ich dachte mir: Jetzt oder nie. Ich habe mich dann vor allem erst einmal um das Startkapital gekümmert und mir ein Netzwerk aufgebaut. Als ich dann von Google in das Start-up Programm Female Founders gewählt wurde, war das ein erster Meilenstein. So bekam ich nach und nach die ersten Finanzierungen und habe inspirierende Frauen und Mentoren kennengelernt. Gründen kann ganz schön einsam sein, daher war der Aufbau des Netzwerks enorm wichtig. Es ist eine größere Herausforderung als Frau zu gründen, vor allem in der Tech-Branche. Ich bekomme andere Fragen gestellt, meine Fähigkeiten werden oft angezweifelt und es ist schwieriger, Investoren zu finden. Viele andere Frauen berichten von ähnlichen Erfahrungen.

COVERED: Was wünscht du dir für die Zukunft, was sind deine Ziele?

Alina: Momentan ist mein größtes Ziel, dass die Prototypen der neuen Produkte gut werden und dann in die Produktion gehen können. Neben Kleiderbügeln und Sicherheitstags habe ich viele andere Ideen entwickelt und bin sehr gespannt auf das Ergebnis. Daneben bin ich bemüht, Investoren zu finden, um zu wachsen. Ich möchte noch so viele Produkte herstellen und habe unendlich viele Ideen. Ich arbeite derzeit 70 Std./Woche, weil ich so sehr an die Idee und das Verfahren glaube und das drängende Problem mit dem Kleidermüll gerne lösen will. Mein Traum und Wunsch wäre es, 2025 eine Fabrik aufgebaut zu haben, wo ich alles herstellen kann. 


COVERED: Was sind denn die größten Unterschiede zwischen Großbritannien und Deutschland in Bezug auf Versicherungen?

Alina: Der größte Unterschied ist auf jeden Fall das System mit den Krankenversicherungen. In Großbritannien braucht niemand eine Krankenversicherung selbst wählen, da dort alles über das Nationale Gesundheitssystem (NHS) geregelt wird. Als ich hierher kam, musste ich erst einmal sofort eine Krankenversicherung abschließen, das ist ja sehr wichtig. Das war am Anfang alles gar nicht so leicht, vor allem mit meinen rudimentären Deutsch-Kenntnissen. Jetzt habe ich mich aber ganz gut durch den Versicherungsdschungel gekämpft und sehe durch. 

Vielen Dank liebe Alina für das inspirierende Gespräch. Du hast für mehr Durchblick bei dem sehr komplexen Thema Textil-Recycling gesorgt. Wir bewundern deinen Mut, deinen Enthusiasmus und deine Leidenschaft für Nachhaltigkeit. Danke, dass du uns einen Einblick in deine Welt gegeben hast. Wenn ihr mehr über Alina wissen wollt, dann schaut doch mal auf ihrer Website oder ihrem Instagram-Kanal vorbei. 

So wie unsere Expertin Alina den vollen Durchblick beim Thema Textil-Recycling hat, so sorgt CLARK für den vollen Durchblick bei deinen Versicherungen. Schaut doch mal rein in das brandneue Video unserer aktuellen Kampagne und zur App geht es hier entlang. Wenn ihr mehr über private Krankenversicherungen wissen wollt, findet ihr hier weitere Infos dazu.

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